Content Marketing: „Wir sind von einem Content Schock noch weit entfernt“ – Interview mit Felix Beilharz

Von | 13. Juni 2016

Felix Beilharz ist Online Marketing Experte und hat sich als Trainer und Berater auf die Bereiche SEO und Social Media spezialisiert. Als Dozent unterrichtet er an mehreren Hochschulen und hat bereits vier Fachbücher geschrieben. Wir haben mit ihm über den Stellenwert von Content im Online Marketing gesprochen und ob sich Social Media Marketing auch für B2B-Unternehmen eignet.

Wie hat sich Online Marketing im B2B-Bereich in den letzten Jahren verändert?

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Felix Beilharz: Unternehmen erkennen immer mehr, dass Content für ihr Marketing wichtig ist. Offline war das immer schon so (Messen, Kundenzeitschriften, Events etc.), online setzt sich das erst so langsam durch. Im B2B setzt sich auch insgesamt erst in den letzten Jahren die „Online-Marketing-Denke“ durch – also dass es um ein integriertes Zusammenspiel der Kanäle ankommt und jeder Kanal (SEO, SEA, Social, E-Mail, etc.) mit der nötigen Sorgfalt und strategischem Überbau bespielt werden muss.

Welche Rolle spielt Content beim Online Marketing – vor allem in Hinblick auf SEO?

73 Content Marketing Interview Felix Beilharz

Online Marketing Experte Felix Beilharz

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Felix Beilharz: Die zentrale Rolle überhaupt. Der Content entscheidet darüber, ob eine Suchmaschine die Seite als relevant erachtet oder nicht, also auch, ob ein Nutzer die Seite überhaupt findet. Dann entscheidet er darüber, ob er die Seite gleich wieder verlässt oder länger verweilt. Ob er begeistert ist oder eher genervt. Ob er sich etwas ausdruckt, abspeichert oder sogar mit Kollegen oder Freuden teilt. Daher eben auch darüber, ob andere die Seite finden. Und schließlich darüber, wie die Einstellung gegenüber dem Unternehmen ausfällt und ob jemand letztlich Kunde wird (und bleibt) oder nicht.

Welche Inhalte sollten B2B-Unternehmen beim Content Marketing nutzen?

Felix Beilharz: Eigentlich haben es B2B-Unternehmen oft viel leichter. Es ist einfacher, Inhalte zu einer komplexen Maschine oder einer Software zu erstellen, als zu einem T-Shirt, einem Kaugummi oder einem Mineralwasser.

Meine Empfehlung ist, dass Unternehmen Inhalte produzieren, die über den harten Produktkern hinausgehen und den „Dunstkreis“ des Produktes mitnehmen. Produktbezogener Content ist eine Sache – dazu zählen Whitepaper und Einsatzbeispiele, Produktvideos etc. Alles wichtig und im richtigen Einsatz auch sehr wirkungsvoll. Mindestens genauso wichtig ist aber auch der Dunstkreis – das heißt, Themen, die für die Zielgruppe von hoher Bedeutung sind und mit dem Unternehmen oder Produkt indirekt zu tun haben, ohne zu direkt mit dem Produkt verbunden zu sein. Ein Anbieter von CRM-Software kann sich zum Beispiel aus Themen wie Marketingtrends, Tipps zur Kundenbindung, Interviews mit Kundengewinnungsexperten etc. bedienen, statt immer nur die eigene Software vorzustellen. Ziel ist es, zum Meinungsführer im Thema zu werden und sich so eine Gefolgschaft aufzubauen aus Leuten, die potenziell oder aktuell Bedarf für das Produkt haben (können).

Eignet sich Social Media Marketing auch für B2B-Unternehmen? Welche Plattformen empfehlen Sie?

Felix Beilharz: Social Media eignet sich für die meisten B2B-Unternehmen eigentlich hervorragend, es wäre nur ein größeres Umdenken erforderlich. Der B2B-Sektor ist ja von Haus aus „social“ – man trifft sich auf Messen, es bestehen langjährige Beziehungen, die handelnden Personen sind in der Branche oft persönlich bekannt. Diese Erfahrung kann online sehr gut ausgespielt werden. Und es gibt auch tatsächlich Beispiele von Unternehmen, wo zum Beispiel der Vorstand twittert und sich so eine Meinungsführerschaft in der Branche erarbeitet. Oder wo die Personalabteilung bloggt, um die mangelnde „Sexyness“ der mittelständischen Industrie (oft ja eher in der Provinz angesiedelt) als potenzieller Arbeitgeber durch höhere Transparenz wettzumachen.

Vielen fehlt aber der Mut oder das Know-How. In meinem Seminar (www.b2b-seminar.de) betrachte ich alle relevanten Plattformen – die meisten davon eignen sich in unterschiedlicher Ausprägung für B2B. Ein Blog zum Beispiel ist perfekt, aber auch Twitter, YouTube, Slideshare und sogar Facebook können sehr gut genutzt werden. Und natürlich die klassischen Business-Kanäle XING und LinkedIn. Wichtig ist immer eine genaue Prüfung, ob der Kanal zu den Zielen und Zielgruppen, aber auch zum Image und Auftreten des Unternehmens passt. Aber von vornherein zu sagen „Kanal XYZ passt nicht zu B2B“, davon halte ich nichts und es gibt immer Beispiele, die das Gegenteil belegen.

Ist Content immer noch King? Oder wird uns in naher Zukunft der „Content Shock“ erreichen? Was sind Ihre Prognosen?

Felix Beilharz: Bisher glaube ich sind wir von einem Content Shock noch weit entfernt. Im deutschen Mittelstand ist der Versuch, wirklich hochwertigen, online-gerechten Content zu erstellen, noch gar nicht angekommen. Besucht man durchschnittliche Firmenwebsites, sieht man kaum mehr als das übliche „Wir über uns“ und „Unser Portfolio“. Das sieht in einigen Branchen und bei größeren Playern natürlich anders aus, aber im Durchschnitt haben wir noch viel Luft nach oben. Das wird noch deutlicher, wenn wir eine Ebene tiefer gehen: Bei kleinen Unternehmen wie Handwerksbetrieben, Einzelhändlern, Kanzleien oder Zulieferbetrieben ist es noch nicht einmal selbstverständlich, dass überhaupt eine Website vorhanden ist. Bis zum Content Shock dauert es da noch einige Zeit.