Trends im Online-Marketing 2016 – Interview mit Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer (Professor für Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin)

Von | 28. Dezember 2015

Relevanz zu schaffen – und zwar aus der Kundenperspektive – ist eines der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Online-Marketing. Wohin die Trends für 2016 gehen, hat uns Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer erzählt. Er lehrt als Professor für Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin.

Wo sehen Sie die aktuellen Herausforderungen im Online-Marketing?

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Ralf T. Kreutzer: Viele Unternehmen im B2B-Bereich differenzieren noch stark zwischen der Online-Welt und der Offline-Welt. Die Kunden selbst unterscheiden bei der Recherche nach bestimmten Informationen aber gar nicht mehr, ob sie online oder offline sind. Deswegen muss die Herausforderung für alle Unternehmen heißen, „noline“ zu denken. Das heißt, von vorneherein die holistische Kundenführung, also die integrierte Führung des Kunden über die Online- und Offline-Kanäle hinaus, vor Augen zu haben. Die Kunden verbinden die Informationen der unterschiedlichen Kanäle und die Frage ist, ob die Verbindung dieser Informationen von den Unternehmen im Vorfeld schon angedacht worden ist oder nicht. Die zentrale Aufgabenstellung für B2B-und B2C-Unternehmen gleichermaßen ist folglich die ganzheitliche Kundenführung – über alle relevanten Kanäle hinweg.

Welche Trends im Online-Marketing sind 2016 zu erwarten?

Ralf T. Kreutzer: Auf der Seiten des Anbieter stellt man fest, dass die Macht der Algorithmen immer mehr zunimmt. Heute kommen Algorithmen zum Beispiel beim Programmatic Advertising zum Einsatz. Das heißt, dass die Algorithmen darüber entscheiden, 30 Online-Marketing Trends Ralf Kreutzerauf welcher Webseite und bei welcher IP-Adresse welche Art von Werbung ausgespielt wird – und das alles in Realtime, in Millisekunden. Hier sehen wir eine große Beschleunigung in den Prozessen. Wir sehen dieses Realtime-Marketing bei der Preisgestaltung; das Phänomen heißt hier Dynamic Pricing. Wenn eine Person zum zweiten Mal auf eine Website kommt und als solche aufgrund der IP-Adresse über ein Cookie erkannt wird, kann es sein, dass dieser Person ein höherer Preis angeboten wird. Ich gebe dieser Entwicklung nicht so viel Zukunft, weil das kein wertgeschätzter Umgang mit den Kunden ist. Das ist die klassische Abschöpfungspreisstrategie, aber wenn in den sozialen Medien herumspricht, dass Unternehmen diese Algorithmen einsetzen, um die Kunden „abzuziehen“, kann es sehr gut sein, dass das betroffene Unternehmen an Wahrnehmung und Reputation verliert.

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Ein weiterer großer Bereich, der für die Anbieter relevant ist, rankt sich um das Thema Recommendation. Hier ist aus meiner Sicht immer noch zu wenigen Unternehmen klar, welche Bedeutung den Empfehlungen in den sozialen Medien zukommt. Wir können Empfehlungs-Marketing in zwei Richtungen einsetzen: Zum einen können Unternehmen selbst Empfehlungen aussprechen, etwa nach dem Motto: „Du hast Dich für A interessiert, dann könnte auch C für Dich spannend sein.“ Auch hier kommen wieder die schon angesprochenen Algorithmen zum Einsatz. Zum anderen können wir versuchen, die Kunden selbst zu Empfehlenden zu machen.Unsere Aufgabe als Unternehmen besteht dann darin, (zufriedene) Kunden zu motivieren, sich (positiv) zu unseren Angeboten, Produkten und Services zu äußern. Studien zufolge stehen solche Empfehlungen von Freunden an zweiter Stelle der glaubwürdigsten Informationsquellen!

Ein weiterer Bereich, der 2016 an Bedeutung gewinnen wird, ist das Thema Content-Marketing. Häufig ist die direkte Ansprache, um Unternehmen und Konsumenten zum Kauf zu motivieren, nicht erfolgreich. Dann kann ich als Unternehmen versuchen, relevante Inhalte für die Kunden bereitzustellen, die im weitesten Sinne mit meinen Leistungen zu tun haben. Ich nenne das auch Kommunikation oder Vertrieb „über Bande“. Dabei versuche ich im ersten Schritt nicht direkt, schon Käufe auszulösen. Ich präsentiere über verschiedene Online-Kanäle – beispielsweise im B2B-Umfeld – spannende Studien und leistungsergänzende Berichte und White Paper, um so meine Kompetenz in einem bestimmten Umfeld zu präsentieren. Die Idee dahinter ist, dass ich auch als Hersteller oder Dienstleister spannend sein muss, wenn ich solche überzeugenden Inhalte präsentiere. Die Relevanz des Content-Marketings wird auch vor dem Hintergrund immer bedeutsamer, weil die Kunden in Zukunft noch sprunghafter werden, noch besser informiert sind und aufgrund der Vielfalt von relevanten Inhalten immer mehr auf der Suche nach einer sinnvollen Orientierung sind. Und da wird nicht nur im B2C-Bereich, sondern auch im B2B die Unternehmensmarke als Vertrauensanker immer wichtiger, die durch ein überzeugendes Content-Marketing aufgeladen werden kann.

Wie wichtig sind Vertrauen und Glaubwürdigkeit im Online-Marketing?

Ralf T. Kreutzer: Aus meiner Sicht – und ich habe im Buch „Digitaler Darwinismus“ davon gesprochen – wird Vertrauen eine neue Währung in der Beziehung zu den Kunden. Deshalb bin ich fest überzeugt, dass das Thema Vertrauen immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die Bereitschaft beispielsweise, Daten weiterzugeben, wird abhängig von dem Vertrauen sein, das ich dem fragenden Unternehmen entgegenbringe. Wem es als Unternehmen nicht gelingt, ein großes Vertrauenspotenzial aufzubauen, wird schwerer an relevante und spannende Kunden herankommen. Viele von uns zögern– etwa beim Download einer App – zunächst, ob wir dem Anbieter den Zugriff auf unseren Standort und die Zuleiten von Push-Nachrichten erlauben möchten. Nur wenn das Unternehmen vertrauenswürdig ist und/oder die Notwendigkeit gut begründen kann, sind wir geneigt, zuzustimmen. Deshalb sage ich, dass wir die berühmten „Customer Touch Points“ zu „Customer Trust Points“ weiterentwickeln müssen. Das heißt: Gleichgültig wo, unabhängig vom Zeitpunkt und gleich über welchen Kanal ein Kunde mit uns in Kontakt kommt, müssen wir versuchen, Vertrauen aufzubauen und zu erwerben. Das ist eine Herausforderung, vor der viele Unternehmen noch stehen.

Wie kann Vertrauen in der digitalen Welt aufgebaut werden?

Ralf T. Kreutzer: Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Zum einen kann man sich ganz klassisch mit seinen Leistungen von den Kunden bewerten lassen, indem man bestimmte Review-Möglichkeiten – beispielsweise auf der eigenen Website oder im eigenen Shop –präsentiert. Zum anderen kann man auch das aufbauen, was ich Rating- und Review-Management nenne. Es muss in Zukunft zur Kernaufgabe eines heutigen Marketing- oder Kommunikations-Managers gehören, sich systematisch über die Art der Reviews und die Art der Ratings durch Kunden Gedanken zu machen. Viele Unternehmen bekommen gar nicht mit, dass schlechte Bewertungen über sie auf verschiedenen Online-Plattformen zu finden sind. Deswegen würde ich gerne die Relevanz des Themas Rating- und Review-Management in der Wahrnehmung der Marketing- und Kommunikations-Manager erhöhen. Dazu zählt einerseits das Web-Monitoring, um frühzeitig – vielleicht sogar in Realtime – festzustellen, was über mein Unternehmen online „im Umlauf“ ist. Andererseits gilt es – stärker noch als früher – Kunden ganz bewusst anzusprechen und zu motivieren, sich (hoffentlich positiv) zu meinen Leistungen zu äußern. Hierfür sind möglichst einfache Bewertungskonzepte zu entwickeln. Denn für den Kunden bedeutet eine Bewertung zunächst einmal mehr Aufwand. Hier gilt es umfassend aktiv zu werden – gleichsam als Standard-Aufgaben für alle kommunikationsverantwortlichen Manager.

Was sind Erfolgsfaktoren im Online-Marketing?

Ralf T. Kreutzer: Wenn ich es überspitzt sagen möchte: Erfolgsfaktoren im Marketing sind erstens Relevanz, zweitens Relevanz und drittens Relevanz – und zwar aus der Kundenperspektive. Es gibt immer noch viel zu viele Unternehmen, die im Sendermodus unterwegs sind und nur das mitteilen, was sie selbst für spannend halten. Oft wissen sie dabei gar nicht, ob das, was für sie wichtig ist, auch für ihre Kunden von Bedeutung ist. Wir müssen lernen, Relevanz aus Sicht der Empfänger, aus Sicht der Kunden, aus Sicht der Zielpersonen zu analysieren. Und um dies zu erreichen, müssen wir häufiger auch mal die Kunden fragen und in den Dialog einsteigen: Was ist für den Kunden wichtig? Wofür interessiert er sich? Gerade im Content-Marketing müssen wir den Kunden noch stärker mit interessanten Informationen in unser Leistungsfeld einweben. Wer Kompetenz und Relevanz schafft, wird erfolgreich sein. Was Unternehmen brauchen ist eine „Passion for Relevance“ – aber aus der Kundenperspektive.

 

Dieser Beitrag wurde auf dem Blog von Trusted References veröffentlicht. Trusted References ist eine Plattform für B2B-Marketing & -Vertrieb für Unternehmen, Selbständige & Freiberufler. Mehr dazu: www.trustedreferences.de