Digitales Referenzmarketing muss systematisiert werden – Interview mit Prof. Dr. Pförtsch

Von | 1. September 2016

„Referenzmarketing muss systematisch praktiziert und in das Gesamtkonzept des Unternehmens-Marketing eingebaut werden und nicht den einzelnen Sales-Leuten überlassen werden“, sagt Prof. Dr. Waldemar Pförtsch, der im Bereich International Business an der Hochschule Pforzheim lehrt. Zudem ist er Lehrbeauftragter für B2B Marketing und B2B Brand Management an der Mannheim Business School und an der Tongji – School for Economics und Management (SEM) in Shanghai. Im Interview spricht er mit uns über die Bedeutung von Emotionalität im B2B Marketing und welche Rollen das Marketing und speziell das Referenzmarketing in Zukunft einnehmen werden.

Was sind aktuelle Herausforderungen im B2B Marketing für den deutschen Mittelstand?

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Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Prof. Dr. Pförtsch: Wir haben die Krise für die deutsche Industrie im Wesentlichen überwunden und uns global aufgestellt. In den letzten Jahren wurden die deutschen Unternehmen durch Lean Manufacturing, Reformen und auch die gesellschaftliche Entwicklung so aufgestellt, dass sie im Wettbewerb bestehen können. Die Herausforderungen am Markt werden jedoch größer, weil durch die Globalisierung unterschiedliche Player im Markt erscheinen: Die amerikanischen Unternehmen sind zurückgekommen, hinzu kommt der große Wettbewerb mit chinesischen, koreanischen und malaysischen Unternehmen, etc.

Eine Antwort auf die Globalisierung ist die Markenentwicklung. Damit meine ich den Aufbau von emotionalen Beziehungen zu den Kunden. B2B-Verhältnisse sind schon immer sehr eng gewesen, jetzt geht es aber darum, diese auf eine höhere Ebene zu bringen und zu professionalisieren.

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Eine weitere große Herausforderung ist natürlich die Digitalisierung. Hier gilt die gleiche Problematik. Man muss aber festhalten, dass die Digitalisierung für unsere Industrie gang und gäbe ist. Es gibt nun einen neuen Begriff und eine neue Möglichkeit der Einordnung.

Bietet die Digitalisierung auch neue Möglichkeiten für die B2B-Kommunikation?

Prof. Dr. Pförtsch: Ja, auch das Marketing wird mit der Digitalisierung auf eine neue Ebene gestellt. Für die Marketing-Kommunikation haben wir neben den bestehenden Kommunikationskanälen, wie Messen oder direkte Verkaufsgespräche, auch die digitalen Medien hinzubekommen und alles, was mit Content Management zu tun hat, wird digitalisiert. Auch hier heißt es, die Verbindung mit dem Kunden enger, schneller und – wenn es geht – intensiver zu gestalten.

Oft wird gesagt, B2B Kommunikation sei weniger emotional als B2C Kommunikation – würden Sie das unterstreichen?

Prof. Dr. Pförtsch: Es sind andere Emotionalitäten: Im B2C geht es mehr um das Image und die Selbststilisierung. Im B2B stehen das Vertrauen und die Risikoreduzierung im Vordergrund – das sind ganz andere Dimensionen der Emotionalität. Es wurde gerade eine Forschungsarbeit in dem Bereich geschrieben und empirisch nachgewiesen, dass die Emotionalität ein echter bestehender Faktor ist im B2B-Geschäft ist. Die Ergebnisse wurden auf der American Marketing Association Conference in Atlanta vorgestellt. (Quelle: Waldemar Pfoertsch und Aaron Leander Haußmann: The impact of customer satisfaction, brand feelings and brand attachment on B2B purchasing behavior)

Welche Maßnahmen können B2B-Unternehmen ergreifen, um diese emotionale Beziehung in den digitalen Medien aufzubauen?

Prof. Dr. Pförtsch: Ich bin der Meinung, dass es nicht um den Aufbau von Emotionen geht, sondern um das Erweitern dieser und das Finden von Neukunden. Die Emotionalität wird über viele Dimensionen ausgebaut. Die reine digitale Emotionalitätserweiterung ist eher schwierig – sowohl im B2C als auch im B2B.

Im B2C ist das Haptische – also zum Beispiel das Gespräch mit Freunden – die Erweiterung der Emotionalitätsdimension. Im B2B ist es hingegen eher die Kommunikation mit den Personen und den Unternehmen. Dazu gehören Besuche von Technologietagen, Gespräche auf Messen und natürlich auch die Beziehung mit dem Produkt selbst, weil viele der B2B Produkte emotional sind. Dazu zählt auch das Aussehen oder der Klang eines Lkws.

Wie sieht das im Dienstleistungsbereich aus?

Prof. Dr. Pförtsch: Im Dienstleistungsbereich ist die sogenannte Intra-Interaktion der wesentliche Teil beim emotionalen Ausbau. Damit ist die Interaktion des Mitarbeiters mit dem Kunden gemein.

Neben der Unternehmenskommunikation, bei der das Unternehmen mit dem Kunden agiert, haben wir die Kommunikation zwischen Unternehmen und eigenen Mitarbeitern sowie im Servicegeschäft die Interaktion zwischen den eigenen Mitarbeitern und den Mitarbeitern des Kunden – und das ist eigentlich der wesentliche Teil der emotionalen Dimension.

Wichtig ist hier, dass der Mitarbeiter vom Unternehmen überzeugt ist und über Informationen verfügt. In einer Unterkategorie nennen wir das „Employer Branding“ – und wenn dieses professionalisiert und systematisiert wird, dann kann der emotionale Ausbau besser funktionieren. Zum Beispiel gibt es in großen Unternehmen Kleiderordnungen, eine Corporate Language oder einen Verhaltenskodex – alle diese Elemente sind wesentlich, um im Servicebereich die Emotionalität zu steigern.

Vertrauen ist in der B2B-Kommunikation wichtig: Glauben Sie, dass Kundenreferenzen beim Aufbau eine Rolle spielen?

Prof. Dr. Pförtsch: Referenzen waren schon immer besonders wichtig. Im Consumer-Bereich spricht man vom „Word-of-Mouth“: Eine Person erzählt einer anderen von ihren Erfahrungen. Diese Eigenkategorie kann systematisch – z.B. durch digitales Storytelling – gefördert werden.

Natürlich gibt es die Referenzwelt auch im B2B, wo der Unternehmer einem anderen beispielsweise eine neue Maschine vorstellt. Dies gelingt besser, indem ein Referenznetzwerk aufgebaut und der Austausch zwischen den Kunden systematisch gefördert wird. Wenn das professionalisiert und digital betreut wird, dann kommt eine völlig erweiterte Dimension der Beziehung zustande.

Erfolgreiche Unternehmen werden ohne Referenzmarketing nicht bestehen können. Konkretes Beispiel: Chinesische Busse haben hier in Deutschland einen ganz schweren Stand – technologisch, aber auch aufgrund fehlender Referenzen. Wenn sie keine Referenzen haben, dann geht es immer nur um Kostenersparnisse. Genau diese Unternehmen könnten mit digitalen Referenzmethoden eine ganze Menge erreichen.

In vielen nicht-europäischen Ländern gibt es einige Unternehmen, die ihre Kommunikation noch nicht systematisiert haben. Das ist eine Chance für deutsche Unternehmen, den Wettbewerb in Südamerika, Australien oder China zurückzudrängen oder zurückzuhalten – wenigstens für eine gewisse Zeit.

Was wird sich für B2B Marketer in Zukunft verändern?

Prof. Dr. Pförtsch: Es gibt einen ganz großen Wandel der industriellen Vertriebsbeziehungen. In der neuen, sich gerade wandelnden Zeit, wird Marketing für B2B immer notwendiger: In Deutschland sind wir noch in der Phase, wo der Vertrieb im Vordergrund steht. Damit einher geht, dass in deutschen B2B Unternehmen ganz wenig Marketing betrieben wird, bei der die gesamten Unternehmensziele berücksichtigt werden. Heute ist die Marketingkommunikation extrem gut und sehr professionell aufgebaut, aber die Zeit ändert sich: Die Unternehmen, die verstanden haben, dass das Marketing die Vorarbeit für den Vertrieb leistet, werden auch im Referenzmarketing eine neue Dimension einläuten.

Referenzmarketing war bisher eine Aktivität, bei der ein Verkäufer den potenziellen Käufer zum alten Käufer gebracht hat. In Zukunft wird es auf die Ebene des Unternehmens wandern – also: weg vom Sales, hin zur zentralen oder auch dezentralen Marketingfunktion. Denn die Marketing-Abteilung hat das Wissen durch die Marktforschung und damit den Wettbewerb im Blick. Sie trifft Entscheidungen, die ein Verkäufer nicht oder anders treffen würde. Referenzmarketing muss deshalb systematisch praktiziert und in das Gesamtkonzept eingebaut werden und nicht den einzelnen Verkäufern überlassen werden.

Damit wird sich die gesamte Bedeutung des Vertriebs ändern. Darum geht es auch in meinem neuen Buch zur Sales Transformation (Philip Kotler, Marian Dingena, Waldemar Pfoertsch: Transformational Sales, Making a Difference with Strategic Customers. Springer Publishing, Heidelberg, New York September 2015): Sales wird nicht mehr nur als Funktion des Verkaufens, sondern auch als Funktion der Unternehmensveränderung begriffen. Und durch diesen Trend, der natürlich auch massiv digital unterstützt wird, wird sich eine ganze Menge ändern. Einige Unternehmen sind diesen Schritt schon gegangen, haben sich völlig anders aufgestellt und sind auch in der Digitalisierung wesentlich weiter voran. Modernes Marketing – unterstützt mit digital – kann zum Erfolg führen.

Was muss der nächste Schritt für B2B Marketer sein?

Prof. Dr. Pförtsch: Der nächste Schritt ist der wesentliche Teil: Die Digital Business Transformation, wo Kommunikation, Technologie und Veränderung zusammenkommen – mit Hilfe des Digitalisierung. Wir werden in Zukunft nur noch digitale Produkte verkaufen. Sie können zum Beispiel keine Consulting-Dienstleistung verkaufen, wenn Sie nicht mit digitalen Daten arbeiten oder nicht digital kommunizieren. Bei einem Produkt – zum Beispiel einem Lkw – ist es fast ähnlich: Hier ist die gesamte Wertschöpfungskette digital verknüpft und auch die Kommunikation mit dem Unternehmen und den Kunden läuft digital.

Herrenknecht produziert zum Beispiel Tunnelvortriebsmaschinen. Das sind Geräte, die aus mehreren Tonnen Stahl bestehen. Dennoch ist der wesentliche Erfolg des Unternehmens das digitale Engineering und das digitale Betreiben. Hier haben die Service-Ingenieure die Aufgabe, die physische Realität und die digitale Kompetenz zusammenzubringen.

An diese Transformation müssen wir denken und da gehören natürlich auch völlig neue Kundenreferenzen dazu. Der Kunde wird ein anderer sein und so werden auch Referenzen auf eine ganz andere Betrachtungsebene kommen. Referenzen werden in Zukunft beispielsweise nicht den Lkw selbst bewerben, sondern die Transportation Solution.

 

Dieser Beitrag wurde auf dem Blog von Trusted References veröffentlicht. Trusted References ist eine Plattform für B2B Marketing & Vertrieb für Unternehmen, Selbständige & Freiberufler. Mehr dazu: www.trustedreferences.de